Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie sind Chef eines Logistiklagers - sagen wir, im Jahr 2030. Ihr Lager ist intelligent. Das heißt, seine Regalsysteme „reden“ miteinander. Sie geben selbständig Bescheid, wenn Waren fehlen. Diese Waren werden sofort nachproduziert. Sobald sie fertig sind, melden sie sich eigenständig bei fahrerlosen Transportsystemen. Denen sagen sie dann, wann und wo sie abgeliefert werden müssen. Klingt irgendwie alles sehr surreal. Und vor allem: Kann so eine intelligente Lagerhalle ganz ohne den Faktor Mensch überhaupt funktionieren?

Ohne digitale Features wie Tablets, Scanner und Co. geht es in den Warenlagern weltweit schon lange nicht mehr. Zu viele Produkte müssen täglich verschickt oder von A nach B transportiert werden. Corona hat den Bestell-Boom noch zusätzlich verstärkt, weshalb auch Versandriesen wie Amazon oder DHL ressourcentechnisch an ihre Grenzen stoßen. Dazu kommt noch der massive Fachkräftemangel, von dem leider auch die Logistik nicht verschont bleibt. Die Lagerhallen der Zukunft müssen also zwangsweise noch effizienter werden, unter anderem, um fehlende Arbeitskräfte auszugleichen. Eine Lösung ist hier künstliche Intelligenz.
FTS, automatisierte Gabelstapler und Robotergreifarme
Bei DHL ist die intelligente Lagerhalle zumindest in den Grundzügen schon lange gelebte Wirklichkeit, erklärt mir Sprecher Daniel Pohl. Das fängt bereits bei der Anlieferung der Waren an – dank so genannter Narrowband IOT-Lösungen geben eingebaute Sensoren in den LKW oder an Toren in Echtzeit Bescheid, wo gerade ein Dock frei ist, wo die Ware am besten entladen werden soll, oder wie die Laderäume optimal geplant werden. Intelligentes Yard Management nennt man das bei DHL. Insgesamt lässt sich die Be- und Entladeeffizienz mit solch intelligenten Sensoren um rund ein Viertel steigern, heißt es beim Konzern.
Außerdem sind in den DHL-Lagerhallen weltweit zahlreiche führerlose Transportsysteme, automatisierte Gabelstapler und Robotergreifarme im Einsatz. Die Fahrerlosen Transportsysteme nehmen den Lagermitarbeitern immerhin täglich einen Halbmarathon (!) ab, den sie sonst zu Fuß zwischen den Regalen absolvieren müssten. Genauer gesagt sind sie zuständig für das „assisted piece picking“, das heißt, der Mitarbeiter muss nicht mehr von Regal A zu Regal Z laufen, um zuerst eine Sonnenbrille und dann noch ein paar Socken zu holen. Diese Transportwege übernimmt ein Roboter für ihn, während der Mensch an der Verpackungsstation auf ihn wartet und dann die gewünschten Produkte versandfertig macht.
Entscheidend für die Zukunft: der richtige Automatisierungs-Mix
„Indoor robotic transport“ lautet das Gebot der Stunde. So sind bei DHL beispielsweise auch gänzlich automatisierte Gabelstapler unterwegs, die Paletten von A nach B transportieren und auch gleich noch selbstständig einlagern. Zusätzlich gibt es Robotergreifarme, die Paletten zielgerichtet be- und entladen – eine monotone, anstrengende Arbeit, auf die die menschlichen Mitarbeiter gerne verzichten.
Wenn die DHL Mitarbeiter doch zwischen den Regalen unterwegs sind, tragen sie in der Regel Augmented-Reality-Brillen oder Smartwatches und bekommen dadurch genau angezeigt, in welchem Gang, bzw. in welchem Regal der Gegenstand liegt, den sie einsammeln sollen. Das spart Zeit und ist noch dazu ziemlich effizient.
Übrigens hat DHL in einzelnen Warenlagern auch Drohnen ausprobiert, zum Beispiel für die Inventur. Das Ergebnis war jedoch eher unbefriedigend (wer will schon im Lager ständig eine Drohne über dem Kopf schwirren haben!), deshalb werden Drohnen jetzt eher zur Überwachung von Liegenschaften genutzt. Dass ein Lager irgendwann so intelligent ist, dass es komplett selbstständig agiert, glaubt Sprecher Daniel Pohl übrigens nicht. „Es wird immer den Faktor Mensch im Hintergrund brauchen. Logistik ist und bleibt eine Industrie, die stark von qualifizierten Mitarbeitern abhängt.“ Das Erfolgrezept für die Zukunft liegt zumindest für DHL in der Kombination unterschiedlichster bewährter Automatisierungstechniken, die möglichst großflächig eingesetzt werden können.
