Seit Monaten wird darüber spekuliert, dass Russland uns das Gas abdrehen könnte. Bis jetzt war es zum Glück noch nicht soweit und wir hoffen natürlich alle, dass das so bleibt. Doch wenn es dann plötzlich doch passieren sollte, was bedeutet das eigentlich konkret? Welche Branchen wären am stärksten betroffen und inwieweit träfe es uns Konsumenten? Stünden wir plötzlich vor leeren Supermarktregalen und bekämen keine Medikamente mehr? Oder wäre ein Gas-Stopp vielleicht doch gar nicht so schlimm wie angenommen?

Vor allem für die Wirtschaft wären die Auswirkungen eines russischen Gas-Stopps fatal. Denn durch die Abhängigkeit der Branchen untereinander würde eine Art Kettenreaktion ausgelöst - das heißt, so gut wie jeder Wirtschaftszweig wäre betroffen. Größter Gasverbraucher etwa in Deutschland ist gleich nach der chemischen die Lebensmittelindustrie. Wenn kein Gas mehr fließt (und es keinen Plan B gibt), kann auch nicht mehr produziert werden - das heißt, die Regale im Supermarkt würden im schlimmsten Fall wohl bald ziemlich leer bleiben. Auch wichtige Grundnahrungsmittel wie Nudeln oder Haferflocken würden rasch fehlen, außerdem Verpackungen für Lebensmittel, die mit Stärke hergestellt werden. Am meisten Gas brauchen in Deutschland übrigens die Milchwirtschaft und Fleischindustrie, danach kommen Fett-, Öl, Brot- und Zuckerindustrie, dicht gefolgt von Bäckereien und Fleischereien. Ohne Gas für die Prozessenergie könnten sie beispielsweise nicht mehr richtig trocknen, kochen oder kühlen, um Lebensmittel haltbar zu machen.
Impfstoff, Tabletten und Co: Fehlanzeige?
Nicht nur bei den Lebensmitteln könnte es im Falle eines russischen Gas-Stopps problematisch werden, auch die Medikamentenproduktion ist großteils auf Gas angewiesen. Ein Stopp der Gas-Lieferung an die Pharmaindustrie könnte daher sogar die Produktion lebenswichtiger Medikamente gefährden, hört man immer wieder von Branchenvertretern. Außerdem werden mit dem Gas auch Wasserstoff oder Ammoniak hergestellt. Zittern würden im Falle des Falls wohl auch die Stahlhersteller und ihre Abnehmer: Autos, Baustellen und Co. - so gut wie überall wird Stahl benötigt. Wenn die Stahlwerke plötzlich stillstehen, hätte das natürlich massive Auswirkungen in jede erdenkliche Richtung.
Österreich: nur noch 50 Prozent Abhängigkeit
Doch die gute Nachricht: Seit Jahresanfang hat etwa Österreich die Abhängigkeit von russischem Gas von 80 auf nur noch 50 Prozent reduziert, sagt Professor Dr. Gerald Reiner vom Institut für Produktionsmanagement an der WU Wien. Einerseits durch den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien, andererseits durch einen gedrosselten Verbrauch. „Dass von heute auf morgen bei uns in Österreich Gas-Krise herrscht, ist relativ unwahrscheinlich. Zu Jahresanfang, als die Speicher fast leer waren, wäre es definitiv schlimmer gewesen. Mittlerweile sind die heimischen Gasspeicher immerhin zu 60 Prozent gefüllt“, betont der Experte. Wenn, dann hätten wir also keinen hundertprozentigen Ausfall, sondern müssten den Gas-Verbrauch schlichtweg in vielen Bereichen reduzieren. Auch in Österreich wird übrigens im produzierenden Bereich das meiste Gas verwendet, danach folgen diverse Kraftwerke und an dritter Stelle beim Gas-Verbrauch stehen die privaten Haushalte. Dass in nächster Zeit ein Gas-Stopp kommt, hält für Professor Dr. Reiner allerdings trotzdem für eher unwahrscheinlich: „Die russischen Erdgasförderunternehmen werden ihre Gasfelder vermutlich nicht einfach abdrehen, weil sie sich sehr schwer tun würden, sie wieder zu starten.“ Und mittelfristig sollten wir uns sowieso freiwillig vom Erdgas verabschieden – allein der Umwelt zuliebe.