Dieser Wahnsinn, der gerade in der Ukraine passiert, macht mich sprachlos. Ich muss mich regelrecht zwingen, täglich die Nachrichten einzuschalten, weil ich zum Teil gar nicht mehr hinschauen kann. Stichwort Butscha. Dazu kommen noch die ständig neuen Horrormeldungen für die heimische Wirtschaft. Lieferengpässe, explodierende Rohstoffpreise…..In Zeiten wie diesen einen gesunden Optimismus zu bewahren, ist wirklich Schwerstarbeit. Ich versuche es trotzdem, im Gespräch mit Prof. Dr. Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Logistik und Transportwirtschaft an der WU Wien.

Denn auch wenn die Situation wirtschaftlich gesehen fatal ist – zumindest ökologisch gesehen bergen die Sanktionen gegen Russland Vorteile. So sind wir nach Jahren der wirtschaftlichen Abhängigkeit endlich gezwungen, uns von der ungesunden Übermacht durch Putin zu befreien und nach (hoffentlich klimafreundlichen!) Alternativen umzusehen. Das gilt nicht nur für die Öl- und Gasversorgung, sondern auch für mögliche alternative Waren-Transportwege von Europa nach Asien.
Verlassene Seidenstraße
Die 6400 Kilometer lange Seidenstraße war schon in der Antike und im Mittelalter der wichtigste Handelsweg zwischen Europa und China. Bis zu zwei Jahre (!) haben Händler damals mit ihren Kamelen für dieselbe Route gebraucht, die Züge heute innerhalb von wenigen Tagen zurücklegen. 2020 sind noch rund 12 000 Züge teilweise oder ganz über die Seidenstraße unterwegs gewesen – in den letzten Wochen sind die Containertransporte auf Schiene zwischen Deutschland/Österreich und Asien regelrecht eingebrochen. Ich frage den Logistikexperten Professor Sebastian Kummer von der Wirtschaftsuni Wien, wie er die Lage einschätzt und welche Transport-Alternativen es überhaupt gibt.
Zwar wollen die Russen die Schienentransporte weiterhin durchführen, allerdings meiden die europäischen Auftraggeber diese Strecke zunehmend. Stattdessen versuchen die westeuropäischen Eisenbahngesellschaften gerade, so hört man, eine südliche Umfahrung Russlands zu organisieren. Das ist aber gar nicht so einfach, weil zum einen natürlich die entsprechende Infrastruktur fehlt und man zum anderen auch nicht unbedingt das kaspische Meer queren möchte, das für seine eher ungemütlichen Stürme bekannt ist.
Gesperrter Luftraum = große Umwege
10 000 Meter über dem Boden ist die Situation nicht weniger kompliziert. Für Lufttransporte ist es aktuell sehr schwierig, nach Asien zu kommen - immerhin ist der Luftraum über Russland und der Ukraine derzeit für fast alle europäischen Fluglinien gesperrt. Deswegen müssen große Umwege geflogen werden, was natürlich nicht unbedingt rentabel ist.
Insgesamt lässt sich also sagen: die Waren-Transporte von Europa nach Asien werden durch den Ukraine-Krieg länger und teurer, dafür aber immer unabhängiger von Russland. Profitieren von der Situation könnten andere, zum Beispiel die Vereinigten Emirate und da insbesondere Dubai, wo man sehr gut eine Kombination aus Schiffsverkehr und Luftverkehr (Sea-Air Services) anbieten kann.
Fest steht jedenfalls schon jetzt: der Ukraine-Krieg wird den Transport von Waren zwischen Europa und Asien nachhaltig verändern. Professor Kummer glaubt, dass die Bemühungen für eine südlich von Russland gelegene und gut befahrbare Eisenbahnroute in nächster Zeit forciert werden. Theoretisch könnte man sich politisch auch etwas an den Iran annähern, um neue Transportwege zu schaffen, oder die Eisenbahnfähren über das Kaspische Meer stärken, z.b. durch Investitionen in neue Fähren und Häfen. Allerdings ist es am Kaspischen Meer wie gesagt oft stürmisch, das wäre also wohl eher nicht die sicherste Variante.
Fazit: auch wenn es durchaus Alternativen für Transporte von Waren zwischen Europa und Asien ohne Russland gibt, zählen wir als Europäer leider trotzdem zu den wirtschaftlichen Verlierern. Zu abhängig waren wir in den letzten Jahren von Öl, Gas und diversen anderen Rohstoffen aus Russland.
Die gute Nachricht ist jedoch: auch Russland wird verlieren – wobei, das hat es schon längst. Mit Tag 1 dieses Krieges.
