Bis 2050 will die EU klimaneutral sein. Gleichzeitig sind letztes Jahr allein in Deutschland so viele Pakete versandt worden wie noch nie: 4,5 Milliarden Sendungen mussten transportiert werden - ein Großteil davon auf der Straße, mit dem LKW. Doch jetzt sollen endlich mehr Pakete von der Straße weg auf die Schiene. Zumindest plant das die deutsche Bundesregierung. Sie will bis 2030 den Marktanteil des Schienengüterverkehrs von 18 auf immerhin 25 Prozent steigern. Doch gibt es überhaupt passende Rahmenbedingungen für den digitalen Güterzug von morgen oder hinkt die Schiene nach wie vor hinterher?

Man könnte sagen: Beides. Einerseits sind die technischen Systeme bei vielen Frachtzügen veraltet und damit nicht mehr am Puls der Zeit. Andererseits gibt es bereits vielversprechende Automatisierungs-Techniken, die den Güterzug zukunftsfit machen sollen – darunter auch die so genannte DAK, die digitale automatische Kupplung. Mit ihr soll es künftig möglich sein, Güterwagen automatisch, also ohne Handarbeit zu kuppeln. Denn bis jetzt müssen Bahnmitarbeiter an den Güterbahnhöfen einen zwanzig Kilogramm schweren Kupplungsbügel wuchten. Genau dieses langwierige und anstrengende Prozedere soll durch die DAK endlich Geschichte sein. Außerdem soll sie dazu beitragen, dass Güterzüge künftig schneller fahren und besser im allgemeinen Zugverkehr mitmischen können. Die digitale automatische Kupplung ist aber natürlich nur ein wichtiges Tool des digitalen Güterzugs von morgen. Unternehmen wie Knorr-Bremse arbeiten entschlossen am so genannten „Digital Freight Train“ (DFT) mit neuen Steuerungsformen wie DAK, Automatisierungssystem oder Elektropneumatischer Bremse. Mit diesen zentralen Komponenten lassen sich gleich mehrere wichtige Prozesse im Güterzugverkehr automatisieren. Das wiederum ermöglicht höhere Transportkapazitäten, mehr Effizienz und größere Verfügbarkeit, heißt es von Unternehmensseite.
DFT als bahnbrechende Innovation
Dr. Thomas Anton, eine der treibenden Kräfte hinter der DFT-Entwicklung betont: „Mit dem Digitalen Güterzug ziehen moderne Automatisierungssysteme in den manuell betriebenen Güterzug ein. Elektronische Steuerungen mit moderner Sensorik in Kombination mit robuster Aktorik werden manuelle Vorgänge sowie zeitaufwendige Prozesse wie die Bremsprobe automatisieren. Cloudgestützte Services werden Papierberge in der Verwaltung ersetzen und den Logistikpartnern vielfältige Informationen zu ihrer Ladung zur Verfügung stellen.“ Für die entscheidende DAK hat Knorr-Bremse bereits mehrere Prototypen produziert. Sie sollen zeitnah in realen Zügen in den Testeinsatz gehen.
Moderne Technik als Vorreiter - und die Infrastruktur?
Die Technik für den digitalen Güterzug von morgen ist also schon gut aufgestellt, allerdings muss auch noch an der geeigneten Infrastruktur gearbeitet werden. In einem Positionspapier an die Bundesregierung haben Schienen-Vertreter vor wenigen Tagen diverse Vorschläge geliefert, um die Rahmenbedingungen für den Frachtverkehr zu verbessern. Unter anderem soll die Kapazität auf den Korridoren verbessert, der Ausbau der Schienen beschleunigt und mehr Gleisanschlüsse geschaffen werden. Nun liegt es an der Politik, ob und wie rasch diese Maßnahmen umgesetzt werden. Bis jetzt sind Digitalisierung und Automatisierung jedenfalls in Deutschland und Österreich an der Bahn vorbeigegangen. Doch es gibt Hoffnung, meint Dr. Anton: „Durch den Green Deal gibt es heute einen starken politischen Willen auf EU-Ebene die Bahn als grünen Verkehrsträger zukünftig viel stärker zu nutzen. Das ist eine einmalige Chance für den Schienengüterverkehr – und vermutlich auch die letzte. Die müssen wir gemeinsam als Sektor ergreifen.“
